Der Sehnsucht folgen...

...wer hat nicht schon einmal daran gedacht loszulassen, einfach aufzubrechen und den Alltag hinter sich zu lassen? Aufbruch bedeutet immer auch ein Stück weit Aufgabe von Annehmlichkeiten und Sicherheiten, Aufgabe der gewohnten Umgebung im Tausch gegen bislang unbekannte Erfahrungen, Begegnungen, Erkenntnisse und Einsichten. In den zurückliegenden Jahren habe ich mich mehrfach auf diesen Tausch eingelassen und bin auf den großen Caminos der Iberischen Halbinsel zu Fuß nach Santiago de Compostela gepilgert. Ich möchte Sie einladen, Ihren Sehnsüchten für einen Moment nachzugeben und mich ein Stück weit auf meinen Caminos zu begleiten.

Samstag, 31. Oktober 2015

3. Tag - Ruta de Castanes

el bado - 31.10.2015
Bodenaya - Campiello 25 km



Hola,

Hospitalero David hat gestern Abend leckere Pasta mit einer Pilz-Sahnesauce gekocht. Ich habe gemeinsam mit ihm und seiner Lebensgefährtin zu Abend gegessen. Beide sind selbst viel gepilgert und betreiben die Herberge in Bodenaya sehr liebevoll und engagiert. Die Gastfreundschaft war wirklich außergewöhnlich und ich möchte den beiden an dieser Stelle noch einmal dafür danken.

 

Abschied von außergewöhnlichen Hospitaleros

Der Weiler Campiello ist mein heutiges Etappenziel und so gegen 9 h starte ich durch über einsame Waldwege inmitten von Maronenbäumen, die mit ihren Früchten und Blättern die Tafel besonders für Schwarz- und Rotwild decken.





Hórreo
Hórreos findet man in Nordportugal und in Asturien, Galicien, Kantabrien und im Norden der Provinz León. Die zumeist aus Holz gefertigten Speicher ruhen auf steinernen Pfeilern mit Steinplatten, die somit von auf dem Boden lebenden Tieren unüberwindbar sind. Die Hórreos sind gut durchlüftet, womit sie dem Klima im Nordwesten der Iberischen Halbinsel mit hohen ganzjährigen Niederschlägen Rechnung tragen. Die quadratische Bauform der Hórreos in Asturien spricht mich besonders an.
 
Es ist wieder Abend geworden, als ich Campiello erreiche. Ich gönne mir ein Pilgermenü im Landgasthof. Die Köchin muß frisch verliebt sein, das Essen ist stark versalzen. Da hilft nur noch das Kölsche Grundgesetz:
§ 7 Wat wellste maache?
§ 10 Drinkste eine met?


in diesem Sinne ... ;-)

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Die heutige Etappe widme ich meinen lieben Freunden Katrin und Roli aus Zürich.


buen camino


Freitag, 30. Oktober 2015

2. Tag - 'Madrenas'


el viernes -  30.10.2015
San Juan de Villapanada - Bodenaya 25 km




Hola,


habe fast 11 Stunden am Stück geschlafen, als ich heute in San Juan in Richtung Salas aufbreche. Die Außentemperatur beträgt 18 °C, später gibt es dann noch ordentlichen Landregen.

 


Buenos dias, dieser Hirtenhund wacht direkt vor der Herberge über seine Zicklein und Schäfchen. In der vergangenen Nacht habe ich ihn bellen hören. Später erfahre ich, dass sich noch vor kurzem hier eine Wolfsfamilie (der Iberische Wolf lebt nicht in Rudeln, sondern in Familienverbänden) aufgehalten hat. Diesen massigen Schutzhunden werden wir ab jetzt noch öfter begegnen. Und einen kurzen Moment überlege ich 'Hasenfuß', ob ich diesen nicht besser mitnehme auf meinem Weg durch diese wunderschöne Berglandschaft.

Madrenas
Die Asturier tragen diese 'Madrenas' (mini Matschboote) aus Weichholz mit extra erhöhten Stollen, um sicher durch Matsch und Pfützen zu kommen. Also, ich finde diese Matschboote sagenhaft schön.


Unterwegs treffe ich diesen Landwirt, er dengelt seine Sense, d.h. durch leichte Schläge mit dem Dengelhammer wird die Schnittkante extrem dünn und somit scharf. Ihm gehören übrigens auch die Madrenas auf dem Foto oben.



Wenig später begegne ich gleich drei Hirtenhunden, die eine größere Herde bewachen. Der Iberische Wolf ist gerade in Nordspanien (Stand 2008, bsd. nörl. des Duero) stark verbreitet. Leider ist mir bislang auf meinen Caminos noch kein Wolf begegnet, lediglich Wolfslosung habe ich schon auf meinem ersten Camino, der Ruta de la Plata auf den einsamen Wanderwegen gefunden.


In der Abenddämmerung erreiche ich mein Albergue in Bondenaya. Der Empfang ist sehr herzlich, die Herberge hat so etwas wie einen Kultstatus. Dazu später mehr.
 

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This stage I dedicate to our friends Valerie und Bill Kitson in North Yorkshire.



buen camino



1. Tag - San Salvador

el jueves - 29.10.2015
Oviedo - San Juan de Villapanada 26 km




Hola,


gleich geht es zur Kathedrale von Oviedo, die eine Schatzkammer der Geschichte Asturiens, der Reconquista und somit Spaniens ist.


Schon die Sonderrolle Asturiens während der Rückeroberung wurde mit dem Titel 'Principado de Asturias' belohnt. Mit der erfolgreichen Schlacht von Covadonga (im kantabr. Gebirge) 722 wurde die Reconquista unter dem westgotischen Heerführer Pelagius oder span. Pelayo eingeleitet. Die Voraussetzungen für ein Königreich Asturien waren geschaffen und unter Alfonso II wurde der Hof nach Oviedo verlegt. Pelayo und Alfonso II werden hier heute noch gleichermaßen stark verehrt.

Der Camino Primitivo kann als der älteste und ursprünglichste Pilgerweg nach Santiago de Compostela angesehen werden. Kurz nach der Entdeckung des Apostelgrabes machte sich Alfonso II von Asturien als prominenter Pilger auf genau diesen Pilgerweg, der heute gewissermaßen den Camino del Norte mit dem Camino Frances verbindet.
 

Traditionell begint der Camino Primitivo an der Statue des San Salvador (des Erlösers) in der Kathedrale von Oviedo. So auch mein Camino Santiago.

 
Allerdings war die Kathedrale mit ihren reichen Reliquienschätzen jahrhundertelang nicht nur Ausgangspunkt, sondern auch Ziel von Pilgern, die in Leon den Camino Frances verließen, um über den Camino San Salvador (ca. 5 Tage) die Heiligtümer in Oviedo zu erreichen. Dieser Umweg durch das Kantabrische Gebirge führte zu einer nicht unerheblichen Erschwernis des Pilgerweges nach Santiago insgesamt.

6 Säulen, pro Säule 2 Apostel tragen das Gewölbe der Camara Santa.
Links Jakobus der Ältere an der Jakobsmuschel gut zu erkennen.
Die Cámara Santa im ältesten Teil der Kathedrale ist Aufbewahrungsort zahlreicher Reliquien und des Siegeskreuzes (908 von Alfons III gestiftet), welches heute im Asturischen Wappen auf blauem Grund abgebildet ist. Der Holzkern des 'Cruz de la Victoria' soll schon in der Schlacht von Covadonga das christliche Heer unterstützt haben.
  
Flag of Asturias.svg
Lateinisches Kleeblattkreuz auf blauem Grund (Farbe der Jungfrau Maria), 
Alpha+Omega für den Anfang und das Ende
Bei so viel Eindrücken hatte ich die noch vor mir liegende Etappe nach San Juan de Villapanada verdrängt und so gehe ich erst gegen Mittag los. Die 26 km ziehen sich und ich erreiche erst um 19:30 h meine Herberge, die sehr einsam etwas abseits des Weges liegt. Der freundliche Hospitalero 'Domingo' will noch etwas gemeinsam mit mir kochen, doch ich muß ihm energisch klarmachen, dass mir jetzt viel Bier und ein Käsebrot reicht ;-).

 
Herberge in San Juan de Villapanada

Erschöpft und dankbar für diesen Tag schlafe ich unter Domingos Dach ein und freue mich auf morgen.

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This pilgrimage on the Camino Primitivo is on its whole dedicated to my friends Chuck and Marg in Plevna/Ontario/Canada. All the best from here from all my heart Chuck!



buen camino

Mittwoch, 28. Oktober 2015

Anreise - Principado de Asturias

el miércoles28.10.2015
Anreise: Düsseldorf-Weeze - Santander - Oviedo




Hola,


der Anblick der spanischen Nordküste beim Anflug auf Santander hat mich an den Camino del Norte denken lassen, den ich ja erst vor einem guten halben Jahr mit meinem Freund Marius gegangen bin. Die Erinnerung daran stimmt mich jetzt auch ein wenig auf den vor mir liegenden Pilgerweg ein. 


Die Entscheidung, in diesem Jahr noch einen Camino Santiago zu gehen, ist vergleichsweise spontan gefallen. So kann ich es selbst fast noch nicht glauben, als ich in Santander in der Mittagssonne den ersten Kaffee genieße. Noch befinde ich mich in der Hauptstadt der Autonomen Gemeinschaft Kantabrien. Gleich geht es mit dem ALSA Bus weiter Richtung Westen nach Oviedo im Principáu d'Asturies, dem Ausgangspunkt meines Camino Primitivo, der mich von der Kathedrale aus gut 300 km durch das Kantabrische Gebirge nach Santiago de Compostela führen soll.
Soweit der Plan! ;-)

Am Anfang eines Pilgerweges gehen mir natürlich tausend Dinge durch den Kopf. Man denkt an das Wetter, die Ausrüstung, den Weg, an die Menschen, die einem begegnen werden ... und irgendwann stellt man fest, dass die meisten Dinge gar nicht in den eigenen Händen liegen. - Man ist seit jeher als Pilger auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen. Diese Erfahrung, ich würde es Vertrauen schenken und belohnt werden nennen, macht einen bedeutenden Teil des Erlebens auf einem Pilgerweg aus. 
Der freundliche Hospitalero Uro im Albergue/ Seminario von Oviedo



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Die heutige Anreise-Etappe widme ich meinem Pilger Bruder Jean Aubry, der heute 79 Jahre alt wird und der  Confrérie de Charité aus Saint Julien sur Calonne in der Basse Normandie !!! 

Bonne Anniversaire et 'buen camino' de Asturies Jean !




buen camino