Der Sehnsucht folgen...

...wer hat nicht schon einmal daran gedacht loszulassen, einfach aufzubrechen und den Alltag hinter sich zu lassen? Aufbruch bedeutet immer auch ein Stück weit Aufgabe von Annehmlichkeiten und Sicherheiten, Aufgabe der gewohnten Umgebung im Tausch gegen bislang unbekannte Erfahrungen, Begegnungen, Erkenntnisse und Einsichten. In den zurückliegenden Jahren habe ich mich mehrfach auf diesen Tausch eingelassen und bin auf den großen Caminos der Iberischen Halbinsel zu Fuß nach Santiago de Compostela gepilgert. Ich möchte Sie einladen, Ihren Sehnsüchten für einen Moment nachzugeben und mich ein Stück weit auf meinen Caminos zu begleiten.

Samstag, 30. Juni 2018

5. Tag Zegma - Túnel de San Adrián - Agurain-Salvatierra


Meine 'Helden des Tages'

Es ist 7 Uhr früh, die Bars in Zegama sind noch geschlossen. --- Alain, Ander und Iker haben durchgemacht und öffnen auf mein Klopfen. ---  Nach zwei mißglückten Versuchen an der Kaffemaschine bekomme ich meinen cafe con leche, natürlich auch donativo. :-) mit einem herzlichen 'buen camino' schicken sie mich später auf den Weg. 


Heute muß der Aitzkorri-Gebirgszug (Ausläufer des Kantabrischen Gebirges) überquert werden.  Gut 6 km Aufstieg zum Tunel de San Adrian auf etwa 1150 m über NN liegen vor mir. Der ca. 50 m lange Tunel de San Adrian hat sich natürlich im Karst gebildet, innen steht eine kleine Kapelle. Der 'Tunel' trennt die Provinzen Gipuzkoa und Álava und war seit dem Mittelalter zugleich Bindeglied für Pilger und Händler, die vom Golf von Biskaya auf die Kastilische Hochebene wollten. Der Handelsweg durch das Tal der Oria über den Aitzkorri-Gebirgszug erhielt den (Rechts-) Status eines 'Camino Real', d.h. er stand unter dem besonderen Schutz der Krone. Solche 'Königswege' findet man in ganz Europa. 





Mein lieber Freund Luis ist in der Frühe von Vitoria hergefahren und mir dann entgegengewandert. Die Überraschung und Freude könnten kaum größer sein.




Oben auf dem Pass ist das mittelalterliche Straßenpflaster noch sehr gut auszumachen.

Mit dem Wechsel auf die Ebene von Álava ändert sich mit dem Klima (maritim zu kontinental) auch die Vegetation. Bin ich eben noch durch üppigen Rotbuchen Mischwald gewandert, dominieren jetzt an den Hängen Bergeichen, die weite Ebene wird landwirtschaftlich genutzt.






 Meine Mitpilger: (v.l.n.r.) José, José, Jesús, René
 
Bis jetzt sind die vier die einzigen Pilger, denen ich auf der Via de Bayona begegnet bin. René ist im April in Cherbourg/ Cotentin aufgebrochen, hat in Bordeaux als Hospitalero gearbeitet und befindet sich jetzt gewissermaßen auf dem Endspurt.





In Agurain im Touristenbüro gibt es noch eine Überraschung. Die freundliche 'Itziar' arbeitet hier und reserviert gleich telefonisch  im Alberge Fundacion Catedral Santa María in Vitoria-Gasteiz unsere Betten für morgen Abend.

GRACIAS Itziar!!!




Diese bisher schönste Etappe widme ich der Hl. Barbara und ihren Nachkommen.

buen camino

Freitag, 29. Juni 2018

4. Tag Beasain - Zegama



Hola,

nach den ersten drei Schritten heute morgen trifft mich der erste Regentropfen. Ich stelle meine Kleidung auf Regen um und marschiere tapfer weiter. - Nach einer Stunde klart es völlig auf, die Fotos sprechen für sich.







Iglesia San Miguel de Idiazabal XII - XVI Jhd.


In Segura mache ich eine ausgedehnte Pause, eine gute Wahl, wie sich später herausstellen wird.




Am Ortsausgang kreuzt ein Weinfass aus Navarra meinen Weg und sein Besitzer füllt kurzerhand meine Wasserflasche mit Rotwein auf.    Was für ein Tag!




Die Stadt Zeguma stellt Santiago-Pilgern ein Notquartier in der Sporthalle zur Verfügung und das sieht dann so aus...


Jeder hat hier so seine eigene Ecke. Ist irgendwie wie Schullandheim oder so etwas in der Art...





This stage is dedicated to Marg and Chuck, to Marianna and Anabel in Canada.

buen camino

Donnerstag, 28. Juni 2018

3. Tag Tolosa - Beasain

Hola,

heute sind lediglich 19 km zu laufen, der Himmel ist bedeckt und gleich geht es los weiter durch das Tal der Oria.
Die drei rüstigen Rentner aus A Coruña/ Galicien sind schon, ihrem festen Rhythmus folgend, unterwegs. Sie sprechen ihr eigenes 'Gallego', welches mit dem Portugiesischen verwandt ist (gallegoportugiesisch) und folgerichtig zur iberoromanischen Sprachfamilie gezählt werden muß. Man geht heute davon aus, dass sich das Gallego aus dem Sprech-Latein (Vulgärlatein) der römischen Kolonisatoren Galiciens entwickelt hat. Das Vulgärlatein als Ausgangssprache gilt natürlich auch für andere Regionen des Römischen Reiches, in denen sich Romanische Sprachen entwickelt haben.




Nun muß ich erst eimal einpacken, die Maus sitzt schon ungeduldig auf der Bettkante.



Unterwegs an der Oria im Ort Alegi. 




Mein Alberge in Beasain ist in einem Industriedenkmal, einer Mühle und einem Eisenhammer untergebracht. Im frühen 19. Jhd. hielt hier im Tal der Oria die metallverarbeitende Industrie Einzug. Die ersten Wassermühlen sind für das 11. Jhd. nachgewiesen. Heute finden sich hier Zulieferbetriebe für die Automobilindustrie und die CAF (Construcciones y Auxiliar de Ferrocarriles), eine für Spanien bedeutende Fabrik für Schienenfahrzeuge.




Und hier eine kleine Auswahl an Pintxos der Taberna Blai in Beasain.



Für mich gibt es später noch von diesem baskischen Schafskäse und ein frisches Cruzcampo Cerveza :-). Ich befinde mich hier im Zentrum der Idiazábal Käseproduktion.





Diese Etappe widme ich dem jung gebliebenen Brautpaar Heike&Matthias! Herzlichen Glückwunsch!

buen camino






Mittwoch, 27. Juni 2018

2. Tag Ermita Santiagomendi - Tolosa

Hola,

ich habe in der Abgeschiedenheit geschlafen wie ein Baby, ganze 10 Stunden! Heute führt der Weg 25 km durch das Tal der Oria und die Attraktivität wird sich  wegen der Industrieansiedlungen und der nahen Autobahn in Grenzen halten. Als Ausgleich gibt es kaum Steigungen und ganz sicher mehr Bars in den Kleinstädten für die eine oder andere Pause.







In Hernani wird der Patron der Stadt San Juan mit einer Fiesta geehrt. Schaulustige werden mit Luft gefüllten Schweinsblasen geschlagen, dass es nur so kracht. Die Maus und ich bekommen auch einige Schläge ab. - Ein Wolfs-Fabelwesen tanzt in der Menge und verteilt Schläge mit der Blase an die Mittänzer. - Baskische Feste sind fröhlich, ausgelassen, bunt und eigentlich auch immer laut!




***

Schäfer mit Baskenmütze/ Euskadi, Camino Francés 2014


In Tolosa gibt es die Traditionsfirma Elósegui, die seit 1858 Baskenmützen (baskisch: Txapela/ spanisch: Boina) produziert. Die Wollmütze, später Filzmütze der Schäfer fand auch außerhalb der Pyrenäen Verbreitung. Auswanderer aus Tolosa brachten sie nach Südamerika wo sie heute zur Arbeitskleidung der Gauchos gehört. Während der deutschen Besatzung Frankreichs im 2. Weltkrieg galt sie als stilles Zeichen des Widerstandes gegen die Besatzer.




Die Herberge in Tolosa ist super eingerichtet, mit kleinen Zimmern incl. Bettwäsche, sodass der Schlafsack einmal eingerollt bleiben kann. Einziger Nachteil, die Bahnlinie Vitoria- Donostia verläuft in umittelbarer Nähe. Im Bett fahren besonders Güterzüge gefühlte 5 cm am Ohr vorbei. 


2 Flaschen Sidra aus Asturien werden das Problem mit den Güterzügen sicher aus der Welt schaffen...:-) , außerdem ist er auch noch ganz natürlich süffig, das kann ich nach der ersten Flasche versichern!

Die heutige Etappe widme ich unserem unglücklichen WM-Team und zitiere aus 'et Rheinische Jrundjesetz', Artikel 2 und 7: "Et kütt wie et kütt" und " wat wellse de maache?"   Jogi!!!




buen camino